"Der Nase vertrauen": Peter Bachmann vom Sentinel Haus Institut im Interview

Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts
Peter Bachmann.
© Sentinel Haus Institut
Sind Naturmaterialien wirklich gesünder? Wie können Bauherren sichergehen, dass ihr Haus schadstoffarm ist? Und was sollte man bei Verdacht auf verborgene Wohngifte als Erstes tun? Peter Bachmann, der mit seinem Sentinel Haus Institut Bauprofis und Privatkunden in Sachen Wohngesundheit berät, gibt Antworten auf die häufigsten Fragen.

Sie widmen sich seit Jahren mit Leidenschaft der Frage, wie sich die Wohnumgebung auf die Gesundheit auswirkt. Kann man sich tatsächlich krank wohnen?

Peter Bachmann: Allerdings. Um es mal ganz brutal zu sagen: Wohnen kann sogar tödlich sein. Das radioaktive Gas Radon, das auch im Wohnumfeld vorkommen kann, ist hierzulande immerhin die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Aber auch andere Schadstoffe aus dem Gebäude, aus Baustoffen und Möbeln wie Lösemittel oder Formaldehyd können Menschen krank machen. Die Folgen sind Kopfschmerzen, Asthma, Allergien, Atemwegserkrankungen, Abgeschlagenheit und weitere Symptome. Doch die gute Nachricht ist: Man kann etwas dagegen tun.

Es ist also auch möglich, sich gesund zu wohnen?

So kann man es sagen. Ich erinnere mich an eine Familie, die wir vor einigen Jahren beraten haben. Nachdem sie in einen Altbau gezogen waren, den sie umbauen woll­ten, wurden zwei Familienmitglieder ernsthaft krank. Heute leben sie in einem auf Schadstoffe geprüften Haus, und es geht ihnen wieder richtig gut. Was man daran sieht, ist, welch enormen Einfluss die Wohnumge­ bung auf die Gesundheit haben kann. Ich sage bewusst: kann. Denn jeder Körper ist anders, nicht jeder reagiert gleich empfindlich, Asthmatiker und Allergiker haben andere Bedürfnisse als Personen mit weiteren Vorerkran­kungen. Ganz wichtig ist konsequentes und regelmäßiges Lüften, idealerweise automatisch. Wie wichtig das ist, haben wir alle während der Corona­-Pandemie gelernt. Schadstoffe werden so effektiv reduziert. Das kostet auch kaum etwas. Überhaupt ist gesundes Bauen und Wohnen keineswegs teurer.

Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts
Zur Person: Als Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Sentinel Haus Instituts hat sich Peter Bachmann als einer der führenden Experten für Wohngesund­ heit etabliert. Sein Unternehmen mit Sitz in Frei­burg im Breisgau berät private wie öffentliche Bau­herren und zertifiziert Bauprodukte von der Wandfarbe bis zum Fertighaus; mehrere Tausend geprüfte Produkte lassen sich im Sentinel­Portal nachschlagen. Mit der Sentinel Haus Akademie qua­lifizieren Bachmann und sein Team Fachkräfte für gesünderes Bauen und Sanieren. Zugleich entwickelt das Unternehmen mit Modell­ und Forschungspro­jekten, etwa für Kitas und Büroflächen, das Thema Wohngesundheit immer weiter.
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Auch wenn man manche Schadstoffe riechen kann – viele Gefahren lassen sich mit den Sinnen nicht wahrnehmen. Was muss ich als Bauherr tun, um sicherzugehen, dass ich gesund wohne?

Wer ein Fertighaus kauft oder mit einem Generalunter­nehmer oder Architekten baut, sollte vorher bindende Vereinbarungen zur gesundheitlichen Gebäudequalität treffen und nach Prüfzeugnissen für die Baustoffe oder das Haus fragen. Am besten ist es, sich gleich an Bauun­ternehmen und Architekten zu wenden, die einschlägige Erfahrungen haben und das auch belegen können.

Und wenn ich in Eigenregie baue oder renoviere?

Dann führt kein Weg daran vorbei, selbst geeignete Bau­stoffe und Materialien auszuwählen. Umweltsiegel kön­nen dabei helfen – wenn es denn seriöse sind. Etliche Händler und Baumärkte sind hier auf dem Weg und füh­ren speziell geprüfte Sortimente. Wir selbst bieten auf unserer Website sentinel­haus.de eine große Datenbank wohngesunder Produkte, bei denen wir die Angabender Hersteller von unseren Experten selbst noch einmal überprüfen lassen, dazu veröffentlichen wir kostenlose Leitfäden und viele Tipps.

Mal angenommen, ich hätte den Eindruck, in meinem Haus liege in Sachen Schadstoffe etwas im Argen. Was wäre der erste Schritt?

Ich empfehle eine Raumluftmessung, bei der selbst winzigste Mengen an Schadstoffen erkannt werden können. Wir führen so etwas häufig durch, es gibt aber auch viele andere seriöse Anbieter. Die Kosten dafür liegen zwischen 800 und 1.200 Euro. Wenn ein konkretes Material im Verdacht steht, etwa das Holz der Dachbalken, kann man auch eine Materialprobe einschicken – das ist günstiger.

Auf welches potenzielle Gift sollte man am meisten achten?

Pauschal lässt sich das schwer sagen, weil jeder Mensch anders reagiert. Trotzdem schließe ich mich der Einschätzung des Umweltbundesamts an, das das größte Augenmerk auf das Kohlendioxid richtet, also ein Gas, das wir selbst ein- und ausatmen. Ist seine Konzentration in der Raumluft zu hoch, summieren sich weitere Stoffe: Feinstaub, Lösemittel, Formaldehyd, Pollen, Radon. Insofern ist Kohlendioxid ein guter Leit-Schadstoff, der sich mit einem Sensor auch noch einfach erkennen lässt.

Noch in den 80er-Jahren steckte FCKW in jeder Spraydose – diese Zeiten sind vorbei. Gibt es bei Wohngiften ähnliche Erfolge?

Ja: Formaldehyd, ein Konservierungsmittel, das etwa in Farben und Klebern eingesetzt wurde, ist seit Jahren auf dem Rückzug. Das Erstaunliche: Die Industrie kann sehr wohl darauf verzichten, wenn sie dazu gezwungen wird – von den Behörden, der Presse, den Konsumenten.

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Das Sentinel Haus Institut versteht sich als Guide in Sachen Wohngesundheit: Alle Produkte, die das Unternehmen freigibt, entsprechen strengen und transparenten Gesundheitsstandards.

Sind natürliche Materialien eigentlich automatisch gesünder?

So einfach ist es nicht. Ob ökologisch, fair, nachhaltig, was auch immer – entscheidend ist ein seriöses Schadstoffzeugnis. Die wenigsten Naturmaterialien werden ja pur verbaut, sondern sind auf die eine oder andere Weise behandelt. Auch für Holz gilt beispielsweise: Wenn es mit einem giftigen Lack oder einem stark emittierenden Öl behandelt ist, hilft alle Natürlichkeit nichts.

Haben Sie einen Tipp, den jeder sofort umsetzen kann?

Die Natur hat uns ein ganz hervorragendes Messgerät mitgegeben: die Nase. Nutzen Sie sie! Wenn etwas chemisch riecht, heißt das, dass sich Stoffe lösen und in der Luft unterwegs sind. Kein gutes Zeichen! Beim Möbelkauf sollte man also ruhig mal eine Schublade rausziehen und die Nase reinstecken – wenn es stinkt, die Finger davon lassen.

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