Massimo Mariani, braucht gutes Design Inspiration oder kommt es vor allem auf solides Handwerk an?

Natürlich, Ideen sind entscheidend - aber ein gutes Produkt ist immer auch das Resultat einer Zusammenarbeit von Designer, Hersteller, Techniker und Experten. Das ist die eigentliche Herausforderung - eine Anfangsidee in ein durchdachtes, intelligentes Produkt zu verwandeln.
Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen?
Ich bin ein sehr neugieriger Mensch! Ich denke ständig über die Rätsel des Alltags nach, darüber, was die Dinge am Laufen hält, was sie erneuert, was sie zu einem verstehbaren, alltäglichen Gegenstand macht. Trends oder Mode hingegen interessieren mich nicht besonders. Ich glaube, am meisten stimuliert mich eine Aufgabe und ein weißes Blatt Papier.
Haben Sie eine Gestaltungsphilosophie?
Ob Architektur oder Design - um ein wirklich gutes Ergebnis zu erzielen, muss man das besondere Etwas finden, sonst ist die Konstruktion nur eine banale Summe ihrer Teile. Daher stelle ich mir Orte und Dinge gern vor wie eine Welt für sich, mit allen Möglichkeiten der Evolution. Damit bin ich frei, die Regeln und Instrumente zu definieren, mit denen ich spielen möchte. Ich versuche, nicht einfach fixe Lösungen zu liefern, sondern sie flexibel zu halten. Die Bedürfnisse der Menschen ändern und entwickeln sich ja auch ständig.
"Vita" ist ein ausgesprochen flexibles System, sein Vorbild ist das "Gioia della Vita", das Spiel des Lebens. Können Sie uns Ihre Vision für dieses besondere Möbel beschreiben?

Ja, der Name "Vita" ist italienisch und bedeutet "Leben", und mein Ziel war es, ein modulares System zu entwickeln, das sich immer wieder an Raum und Zeit anpasst. Jede einzelne Kombination von "Vita" ist so einzigartig wie ein lebender Organismus. Ich sehe "Vita" wie eine kleine, selbständige, dynamische Welt, die bewohnt ist von Büchern, Objekten, Bildern, eine Welt, die sich unaufhörlich neu erfindet im Austausch von Nutzer, System und Dingen.
Das Konstruktionsprogramm, mit dem man virtuell die Kombinationen von "Vita" ausprobiert, orientiert sich an der Art, wie sich in der Evolution einfache Lebewesen verändern und entwickeln. Der Biophysiker und Nobelpreisträger Manfred Eigen hat in seinem Buch "Das Spiel" die Idee vorgebracht, dass es Ähnlichkeiten gibt zwischen der mathematischen Spieltheorie über die Struktur von komplexen Entscheidungen und der Art, in der sich Leben und das ganze Universum entwickelt haben. Sie alle basieren auf einer Kombination von Regeln und Zufall. "Vita" hat daher viel zu tun mit Spiel und mit Leben, beides ist eng verknüpft.
Wie stellen Sie sich den Menschen vor, für den Sie "Vita" entworfen haben?
Ich glaube, gutes Design sollte in jeder Art Zuhause und für jeden Menschen funktionieren. Also gestalte ich Dinge, die ich einfach selbst gern besitzen würde. Und Dinge, die zu meinen persönlichen Vorstellungen von Wohnen passen, also zu einem Ort voll mit Büchern, alten Platten und einigen liebgewonnenen Kunstwerken…
Was hat Sie an der Zusammenarbeit mit MDF Italia gereizt?
Wir haben uns ganz leicht gefunden. Wir haben einfach die gleiche Vision - ein Möbel sollte unprätentiös und gleichzeitig anspruchsvoll sein, rational und intelligent, aber es soll auch emotional ansprechen und bewegen.
Ich glaube, Schlichtheit ist wichtig für Schönheit und Funktionalität, aber es steckt noch mehr dahinter. MDF Italia und ich teilen die Auffassung, dass Schlichtheit das Ergebnis eines langen, komplexen Prozesses ist, in dem geforscht und gearbeitet wird. Diesen Prozess, die ganze Entwicklungsgeschichte, sollte man dann auch dem schlichtesten Objekt ansehen. Und genau wie ich hat MDF Italia keine Angst, mal etwas völlig Neues zu versuchen!
Wie muss man sich den Designprozess von "Vita" vorstellen?
An der Idee, ein anpassungsfähiges und entwickelbares Modularsystem zu gestalten, habe ich ziemlich lange gefeilt. Dahinter steckt mein Wunsch, die sonst so getrennten Welten von Industriedesign und Computertechnologie, von interaktivem Gestalten und Internet zu verbinden.
Wie auch immer, als ich das Konzept zum ersten Mal bei MDF Italia vorgestellt habe, fanden sie es sofort interessant und eine Erkundung wert. Am Ende hat der gesamte Designprozess gut drei Jahre beansprucht - und er dauert immer noch an.
Würden Sie bitte eine stilistische Prognose für das private Wohnen wagen? Wohin geht die Entwicklung?
Ooops, das ist immer ein bisschen gefährlich mit den Vorhersagen… Nun gut - ich denke wir bewegen uns zu auf eine stark vernetzte und immaterielle Gesellschaft, unsere Beziehung mit der realen Welt wird sich dadurch verändern. Daher hoffe ich inständig, dass mehr und mehr Aufmerksamkeit auf durchdachte, intelligente, langlebige Produkte gerichtet wird. Wir besitzen die Dinge ja nicht nur, wir leben mit Ihnen und sie sollen unser Leben leichter, wenn nicht sogar schöner machen.
Herr Mariani, vielen Dank für dieses Gespräch.
Zur Person
Der Florentiner Massimo Mariani hat Architektur in Genua studiert, arbeitete dann mit Renzo Piano in Genua und mit Herman Hertzberger in Amsterdam an internationalen Architekturprojekten. 1998 zog er nach London, wo er fünf Jahre später sein eigenes Büro eröffnete. Er arbeitet als Architekt im Bereich Stadterneuerung und als Designer, u.a. von Regalsystemen und Leuchten. Der Designer im Internet: www.massimomariani.co.uk.
MDF Italia
MDF Italia ist ein designorientiertes Möbelunternehmen in Mailand, tätig in 43 Ländern. Zur Designphilosophie des Hauses gehört das Wegnehmen des Überflüssigen und die Suche nach Schlichtheit, das Ergebnis sind funktionelle und ästhetische Produkte. Die Kombinationsmöglichkeiten von "Vita" können mit dem virtuellen Konstruktionsprogramm auf der Website von MDF Italia ausprobiert werden.
Das Unternehmen im Internet: www.mdfitalia.it
Das Interview wurde im Oktober 2010 geführt.