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KNX im Smart Home: fest verkabelt oder per Funk?

KNX-Tastsensor im Smart Home: "E3" von Gira
© Gira
Spätestens bei der Elektroplanung werden Bauherren oft nach einer KNX-Installation gefragt. Doch was leistet sie? Hans-Jörg Müller ist Leiter Produkt & Design bei Gira und erklärt, welchen Vorteil KNX in einem Neubau bietet, aber warum auch Renovierer und Besitzer kleiner Wohnungen profitieren.

SCHÖNER WOHNEN: Erst einmal vorweg – KNX im Smart Home bietet welchen Vorteil?
Hans-Jörg Müller: KNX ist ein Standard in der Gebäudetechnik, der schon 30 Jahre alt ist. Wir sind Mitbegründer dieses Standards und mittlerweile sind 500 Firmen weltweit dabei. Wenn ein Produkt nach KNX zertifiziert ist, dann funktionieren die Produkte automatisch miteinander. Wenn nun einer mit uns nicht mehr klarkommt, nimmt er eben einen der anderen 499 Anbieter. Um also in der Breite die Dinge im Haus miteinander zu vernetzen, ist der KNX-Standard das richtige System, da es sich nicht an eine Firma hält.

Es gibt zwei Arten von KNX im Smart Home – mit Kabelinstallation und über Funk! Unterscheiden sie sich?
Ganz einfache Antwort – es ist letztendlich ein großes System. Macht man etwas neu, nimmt man Kabel. Wenn man in einer Wohnung jedoch keine Totalrenovierung vornehmen will, dann würde ich dafür Funk vorsehen, um eine Komfortinstallation nachzurüsten. So trennt sich da ganz klar die Anwendung: Funk für die Nachrüstung, Kabel wenn neugebaut oder total renoviert wird.

Hans-Jörg Müller, Leiter Produkt & Design bei Gira
Hans-Jörg Müller ist Leiter Produkt & Design beim Haussystem- und Elektroinstallationsanbieter Gira
© Gira

Muss man da schon im Luxussegment bauen, sodass es sich lohnt?
Weil der Standard früher sehr teuer war und mit großen Serverlösungen gearbeitet hat, war er Mitte der 90er Jahre vor allem für Hotels oder die große Villa vorgesehen. Heute gibt es kleine Serverlösungen, Multifunktionsdisplays und Schalter, denen sieht man die Funktionalität gar nicht mehr an. Dann steckt die Intelligenz dahinter und man kann mit KNX von der 30-Quadratmeter-Wohnung bis zur Villa alles möglich machen. Ich selbst habe eine kleine Wohnung in Garmisch-Partenkirchen mit 45 Quadratmetern. Da habe ich eine kleine KNX-Lösung drin. So kann ich die Heizung von unterwegs einschalten und auch ein paar Sachen untereinander vernetzen.

Gibt es aber auch Bereiche, was KNX nicht macht?
Wir sind nicht daran interessiert, den Kühlschrank zu vernetzen. Wir konzentrieren uns auf die Hauptanwendungen in einem Haus oder in der Wohnung, da KNX aus dem Profibereich kommt. So sind die Grundfunktionen mit KNX einfach zu realisieren wie Jalousien, Licht, Heizung, Sound, Video, die Türkommunikation und Alarm. Jeden Staubsauger binden wir jetzt aber nicht ein – obwohl wir natürlich auch Schnittstellen für das Internet der Dinge haben. Aber das ist nicht unser Fokus.

Muss der User dann im KNX-Smart-Home alles per App steuern?
Das Haus hat eine gewisse Intelligenz unter der Motorhaube. Aber Sie können mit ganz normalen Schaltern arbeiten – die noch das typische Klickklack machen. Sie können aber auch mit Tastsensoren arbeiten – das sind Multifunktionsschalter mit einer haptischen Rückmeldung. Oder was viele machen, die installieren unseren "G1" – der sieht aus wie ein iPhone an der Wand. Dann hat man nur ein Display und der Rest sind Schalter. Über das Display können Sie dann die die Dinge sehen, die Schalter nicht leisten. Wenn zum Beispiel einer vor der Tür steht oder Sie den Außenbereich per Kamera überwachen.

KNX-fähige Schalter? Wie muss ich die mir vorstellen?
Bei uns kann man jeden Lichtschalter mit KNX bestücken. Wir nennen das "Pille" – die kommt hinten in die Einbaudose rein und dann ist der Schalter KNX-fertig. Es ist eine große Tendenz da, Technik ins Haus zu holen – doch die soll aussehen wie früher. Das merken wir sehr stark.

imm cologne: Luxus-Smart-Home-Lösungen von Bersalte
Auch der belgische Hersteller Basalte gehört wie Gira zu den 500 Mitgliedern des KNX-Standards. Taster aus handgebürstetem Messing bieten Gebäudeautomation bei eleganter Optik.
© SCHÖNER WOHNEN

Aber Schalter? Sollte ein Smart Home die Abläufe nicht automatisch steuern?
Das muss jeder einzelne entscheiden – das System kann das. Sie können auch gewisse Dinge lernen lassen, die dann abgerufen werden. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Anwender zwar Lichtszenarien mit verschiedenen Verknüpfungen haben wollen, diese dann aber letztendlich selbst steuern möchten. Es ist heute noch nicht so, dass das Haus alles selber machen muss.

Eine weitere Vereinfachung ist mit Sprachsystemen wie Alexa denkbar: Ist das auch möglich?
Die funktionieren auch mit KNX und unserem Server. Aber auch da haben wir Befragungen gemacht, dass viele ihr Haus mit Alexa lieber nicht steuern möchten. Es ist gut, dass die Möglichkeiten vorhanden sind, aber es machen relativ wenige.

"G1" - Smart-Home-Display von Gira
Schalter, Display oder automatisch - beim KNX-System hat der Anwender stets die volle Kontrolle über das Haus.
© Gira

Wenn man Gäste hat – zum Beispiel Eltern älteren Semesters, muss man denen zuvor eine große Einweisung ins Smart Home geben?
Wenn die Wohnung mit klassischen Schaltern und dahinterliegender Smart-Home-Funktionalität ausgestattet ist, dann braucht es keine Einweisung. Es gibt aber auch Wohnungen mit Displays in jedem Raum, da muss man auf jeden Fall eine Einweisung machen. Das ist wie beim Auto – ich hatte kürzlich einen Leihwagen – da steigen sie nicht einfach um. Ich bin da erst einmal nicht vom Hof gekommen, weil manche Sachen heute einfach übertechnisiert sind.

Was passiert mit den persönlichen Daten, die in einem Smart Home anfallen?
Wir haben keine Cloud im Internet, in der Daten hinterlegt sind. KNX baut außerdem gerade einen weiteren Sicherheitsstandard auf. Der nennt sich KNX-Secure und versucht wie in anderen Branchen, das an Sicherheit zu ermöglichen, was nach geltendem Wissen möglich ist. Restrisiken sind aber immer da – wie auch beim Internetbanking.

Wenn jemand ein Smart Home mit KNX verwirklicht haben will, wo bekommt er Unterstützung?
Wenn jemand an seine Elektroinstallation geht – und ein Smart Home dockt da an – dann können wir nur empfehlen, das über den Fachinstallateur machen zu lassen. Da gibt es eine große Klientel, die auch Smart Home macht. Mit denen kann man dann auch gleich besprechen, was man sich vorstellt. Die Installateurbetriebe sind heute so weit, dass sie sehr gut beraten.

KNX: Hausautomation per Fernseher von Panasonic
Das Bussystem erlaubt es, neue Geräte oder Sensoren jederzeit in die Hausautomation einzubinden – auch noch nach Jahren. So lässt sich auf Wunsch das Haus mit KNX sogar über den Fernseher steuern.
© Panasonic

Ist eine KNX-Installation aber nicht enorm teuer?
Man darf natürlich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Wenn man mal wirklich schaut, was ein Haus mit Smart Home kann und man würde die gleichen Funktionen konventionell lösen wollen, dann ist eine konventionelle Leitungsverlegung mit allen Komponenten am Ende teurer. Ich kann außerdem mit Smart Home klein anfangen: Es gibt eben die erwähnten Funk-Erweiterungen für Wohnungen.

Aber ist KNX in 10 oder 20 Jahren noch zukunftssicher – kann man so ein System dann noch erweitern?
Es ist natürlich immer schwierig, soweit in die Zukunft zu schauen. Aber da bin ich wieder bei dem Standard. 2020 ist er jetzt 30 Jahre alt. Wenn Sie beispielsweise vor 20 Jahren Geräte gekauft haben, dann funktionieren sie auch heute noch im KNX-Standard. Ich würde behaupten, dass es die KNX-Association auch noch in den nächsten 30 Jahren geben wird. Der KNX-Standard ist ein System mit der höchsten Stabilität und längsten Historie. Anders als in vielen anderen Bereichen, wo Standards und Protokolle kommen und gehen.

Zum aktuell wichtigen Thema Klimaschutz: Kann ein Smart-Home mit KNX den CO2-Ausstoß verringern?
Der Fakt ist: Ich kann mein Haus intelligenter steuern – beispielsweise gerade für Anwender, die nicht viel zu Hause sind. Da kann KNX unterstützen: die Heizung regulieren oder zur Beschattung Jalousien öffnen und schließen. Ich kann auch die Verbrauchskurven anschauen – was natürlich noch nicht heißt, dass ich weniger verbrauche. Aber KNX ist eine schöne Basis, um Transparenz in einem Gebäude zu schaffen. Was ich dann daraus mache und wie ich mein Haus steuere, das liegt dann wieder bei jedem Einzelnen. Aber es gibt auf jeden Fall Vorteile gegenüber einer konventionellen Installation.

Leben Sie eigentlich selbst schon im perfekten Smart Home und welche Komponenten waren Ihnen dabei wichtig?
Ich habe ein klassisches Einfamilienhaus von 1975 mit schönen Rauputz-Wänden, die man nicht aufhacken möchte. Aber einige Räume mussten renoviert werden – und da habe ich Smart Home per Kabel nachgerüstet. Woanders habe ich nur ein bisschen mit Funk nachgeholfen. Das ist eine gute Kombination. Was ich so gelöst habe, sind ein paar Kameras, mit denen ich den Außenbereich einsehe und ich habe eine Türsprechanlage, da kann ich auch unterwegs über die Gira-App sehen, wer vor der Tür steht und kann dann auch kommunizieren. Das finde ich klasse, wenn Paketdienste kommen. So lässt sich sagen, wo die Sendungen abgegeben werden sollen. Das ist gut, da dann nichts für drei Tage auf der Terrasse rumliegt.

Gira-App: Steuerung des Smart Homes von unterwegs
Ob auf dem Sofa oder von unterwegs – per App-Steuerung behalten Sie stets den Überblick über die Funktionen im Smart Home.
© Gira

Das klingt schon sehr auf Sie zugeschnitten! Ich hörte auch von Panikschaltern – gehört das etwa zum Standardprogramm von KNX?
Nein, aber Sie können ihn haben. Den Panikschalter gibt es schon seit 30 Jahren, aber er ist einfach nur ein Schalter. Dahinter liegt jedoch die Programmierung, sodass im Haus das angeht, was Sie angehen lassen möchten. Das ist keine Frage von Kabelziehung oder irgendwas. Wenn Sie eine KNX-Anlage haben, dann können Sie von einer Schaltstelle theoretisch alles Licht an und aus machen oder in Kombination, wie sie es gern hätten. Und das programmiert Ihnen dann der Installateur.

Hatten Sie schon Praxislösungen, die Sie überrascht haben?
Ja, natürlich. Es gibt große Villen, die kann man sich gar nicht vorstellen. Da fährt man auf der Etage "Minus 4" erst rein. Dann kommt eine Tiefgarage, darüber ein Kino und ein Schwimmbad – da wundert es mich dann, dass ein System in der Lage ist, solch eine Komplexität zu steuern.

Ist ein gutes Design dabei hilfreich?
Die neue Welt, die da entsteht, ist natürlich komplizierter als die alte Welt. Das steht außer Frage. Uns ist es sehr wichtig, dass das einfach bleibt, was wir tun. Und natürlich ist ein Display-Gerät kein Wechselschalter und trotzdem wollen wir versuchen, dort eine hohe Einfachheit hineinzubringen. Mit einer Kombination aus Gerätedesign und Interface-Design in Richtung einer einfachen Usability schaffen wir Spaß im Smart Home. Genauso wie die Menschen heute Freude an ihrem Smartphone haben. Das ist für uns ein wichtiges Anliegen.

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