Ein Dorf im Hinterhof
Als das Bauherrenpaar mit den beiden kleinen Söhnen und dem Architekten zum Besichtigungstermin kam, betraten sie ein veritables Stück Berliner Industriegeschichte: ein Werkstattgebäude von 1880, denkmalgeschützte Backsteinfassade, zwischen dem zweiten und dritten Hinterhof gelegen. Früher wurden hier Lampen gefertigt, lange Zeit war das Gebäude ungenutzt, nun standen die Etagen zum Verkauf, um in Wohnungen umgewandelt zu werden.
Was sie sahen oder vielmehr hinter abgehängten Decken und eingezogenen Wänden erahnten, war der raue Werkstatt-Charme der wilhelminischen Ära: Kappendecke, gusseiserne Säulen, Stahlträger. Was sich das Paar hingegen nicht recht vorstellen konnte: Wie verwandelt man diese zweifellos eindrucksvolle Halle in ein Zuhause für eine Familie?
Xavier Charvet konnte es sich vorstellen. Der Architekt skizzierte den großen, von wenigen Säulen gestützten Raum und darin zwei minimalistische Kuben, von einer schmalen Treppe verbunden. Darin würden Stauraum und Badezimmer Platz finden, oben auf dem rechten Kubus könnte man ein kleines Wohnzimmer einrichten, einen cosy Rückzugsort im offenen Allraum.
Seine Entwurfsidee: Die Schönheit des Alten wiederherstellen und mit dem Zeitgeist von heute kontrastieren. Die Größe des Raumes feiern und doch kleine, gemütliche Zonen schaffen. "Das Baujahr 1880 sollte dabei, ganz im Sinne der Charta von Venedig, ebenso klar erkennbar sein wie 2020, das Jahr der Renovierung", sagt der französische Planer. Die Bauherren waren angetan – und gaben Charvet den Auftrag.